oder: Was Du schon immer über AMIGA-Lizenz-Schallplatten wissen wolltest.

ZZ Top – Afterburner (1988)

AMIGA 856338
(eigene Sammlung)

Covertext

Was ZZ TOP bedeutet, weiß man bis heute nicht. Was oder wer ZZ TOP ist, um so besser. Das waren von Anfang an und blieben bis heute Leadgitarrist und Vokalist Billy Gibbons (mit Bart), Baßgitarrist und Vokalist Dusty Hill (gleichfalls mit Bart) und Drummer Frank Beard (trotz des Namens ohne Bart), allesamt Texaner, was sie gern mit landestypischen Kostümteilen und Requisiten herauszustreichen pflegen.

Gibbons hatte in Houston bei einer Gruppe namens MOVING SIDEWALKS die Tastenarbeit aufgenommen, Hill und Beard wurden nach deren Auslaufen bei der in Dallas stationierten Band AMERICAN BLUES rekrutiert und Gibbons 1970 beigesellt.

1971 brachten ZZ TOP ihr erstes Album heraus, das sich auch so nannte. Bei der von ihnen gewählten Besetzung konnten Songs wie „Backdoor Love Affair“ oder „Brown Sugar“ trotz aller Bezüge zu heimischen Blues-Themen und Blues-Bildern gar nicht anders klingen als nach dem ausgangs jenes revolutionären Jahrzehnts tonangebenden englischen Super-Trio CREAM. Zu überzeugend und dadurch stilprägend war der Einfluß, den die Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker mit ihrer Weiterentwicklung von schwarzem Blues zu weißem Blues-Rock auf die transatlantischen Vettern ausübten. Wo diese nicht mit Bläsern aufwarten konnten, wie bei der PAUL BUTTERFIELD BLUES BAND, bei ELECTRIC FLAG oder BLOOD, SWEAT & TEARS, oder wo keine afro-amerikanischen Künstler mitmischten wie bei der JIMI HENDRIX EXPERIENCE, fielen die Vergleiche nicht unbedingt zu ihren Gunsten aus. Heute geben Gibbons/Hill/Beard die Vorbilder gern zu. Damals verbot nationales Selbstwertgefühl jedes derartige Eingeständnis; schließlich und endlich stammte der Blues trotz aller Rassendiskriminierung eben doch aus Texas nebst Nachbarregionen und nicht aus Schottland oder England.

Im Nachhinein erklärt sich aber, warum ZZ TOPs voll und wohlproportioniert klingender Blues-Rock und die artistisch recht erfindungsreichen Gitarrenlinien von Gibbons anfangs wenig mehr als lokale Anerkennung fanden. Der nächsten LP RIO GRANDE MUD (1972) erging es noch nicht viel besser. Hier stand das Vokale („Francine“, „Just Got Paid“) zu deutlich im Banne Mick Jaggers.

Doch sammelten ZZ TOP mit landesweiten Tourneen Anhänger und kaum ein Jahr später kletterte TRES HOMBRES in den LP-Charts auf einen achten Platz. Gerechtermaßen, denn das Trio war bei seiner Synthese von Rock und Blues in entschieden eigenständigere Gefilde vorgedrungen. Der Rock hatte in Beat, Motorik und Grifftechnik keine Abschwächung erfahren, der Blues aber eine Verstärkung an einheimischer Ausrichtung. Und das betraf ebensogut die sozialen Botschaften – „Jesus Just Left Chicago“ könnte die Schlagzeile eines Getto-Blues zu Zeiten der großen Wirtschaftskrise sein – wie das Musikalische. Wie sehr das unwiderstehliche Riff von „La Grange“ dem von Junior Wellst‘ in „A Tribute To Sonny Boy Williamson“ aufs Haar gleicht und damit überhaupt ein klassisches Muster ist, läßt sich anhand von AMIGA 8 55 126 (AMERICAN FOLK BLUES FESTIVAL ’66) unschwer feststellen. Auch auf Tonfärbung und Tongebung wirkte sich das aus. Dagegen beschränkten sich mexikanisch-spanische Anklänge, seit alters kein ganz nebensächlicher Bestandteil texanischer Volksmusik, doch eher auf einzelne melodische Floskeln, gitarristische Effekte und die Einbringung von Reizworten.

FANDANGO (1975) – mit „Tush“ als erfolgreicher Single-Auskoppelung und dem wunderbaren „Blue Jean Blues“ – und TEJAS (1976) setzten die eingeschlagene Linie unbeirrt fort und schlossen zugleich eine Schaffensphase ab. Anschließend konzentrierten sich ZZ TOP drei Jahre erst mal auf das, was sie immer als ihre „Basis“ erachteten, Auftritte vor Live-Publikum und möglichst sogar vor solchem, das tanzt. Doch waren ihre Tourneen inzwischen recht glanzvolle und einträgliche Ereignisse vor riesigen Auditorien. Denn harter, urwüchsiger, unverbildeter Rock erfreute sich steigender Nachfrage, prächtige neue Werbe-Begriffe dafür waren aufgetaucht und ZZ TOP erlaubten sich mit der Eigenerfindung „Blue Metal“ für ihre Werke einen besonders wirkungsvollen.

Nach der plattenschöpferischen Pause mit einer für die Fans unerläßlichen BEST OF-LP folgten 1979 DEGUELLO und 1981 EL LOCO. Äußerlich schien alles beim Alten, aber bereits bei einzelnen Titeln von DEGUELLO („Cheap Sunglasses“) und EL LOCO („Ten Foot Pole“) experimentierten ZZ TOP zaghaft mit dem Moog-Synthesizer. Die LP ELIMINATOR (1983) machte dann Keyboards und Sequenzer zum festen Bestandteil ihres musikalischen Idioms.

Obwohl ZZ TOP sich den elektronischen Klängen nicht unterordneten – Hill: „wir setzen die Technologie nur als Mittel ein und, egal was wir spielen, es wird immer nach unserer Band klingen“ – , bemühten sie sich um stilistische Anpassugen an die gewandelten Sound-Vorstellungen der 80er Jahre. Bei ELIMINATOR, von der „Gimme All Your Lovini“ und „Legs“ Single-Erfolge wurden, fielen diese Anpassungen noch zurückhaltend aus, ließen das frühere Klangbild noch unangetastet nach vorn rücken, beschränkten sich auf die Ausfeilung gitarristischer Möglichkeiten, die auch anders als mit einem Synthesizer zu erreichen gewesen wären.

Aber mit ihrer bisher letzten, hier vorgelegten LP AFTERBURNER von 1985, mit der sie gleich nach Erscheinen bis auf den ersten Platz der LP-Charts vorstießen und die ihnen den Single-Hit „Sleeping Bag“ einbrachte, erweisen sich ZZ TOP als unüberhörbar verändert. Sicher ertrinken sie nicht in synthetischen Mischklängen und Studio-Spielereien, sondern musizieren wacker drauflos, aber die Proportionen zwischen dem vollkommen gleichmäßigen Beat, dem aufgefächerten Gesang und dem – bis auf Choruspassagen – zurückgemischten Gitarren sind grundsätzlich verschoben. ZZ TOP haben damit nach Jahren des Zusammenseins, die andre vergreisen lassen, eine insgesamt innovative, allgemein anerkannte Leistung vorgelegt. Sie ist gewiß noch nicht abgeschlossen, aber genau das macht sie so wichtig, und nicht nur für die eingeschriebne ZZ TOP-Gemeinde.

Wolfgang Tilgner (1988)

Titelliste

A1 – Sleeping Bag

A2 – Stages

A3 – Woke Up With Wood

A4 – Rough Boy

A5 – Can’t Stop Rockin‘

B1 – Planet Of Women

B2 – I Got The Message

B3 – Velcro Fly

B4 – Dipping Low (In The Lap Of Luxury)

B5 – Delirious

Produced By Bill Ham

Engineers: Bob Ludwig, Joe Hary
Billy Gibbons: Guitar, Vocals
Dusty Hill: Bass, Vocals
Frank Beard: Drums
Art Direction: Somers/McManus/Ayeroff
Design: Jerry McManus
Cover and Label Illustrations: Barry Jackson
All selections written by Gibbons/Hill/Beard
All selections (c) 1985 Hamstein Music Co

ZZ Top * AFTERBURNER
Komposition, Texte und Arrangements: Gibbson/Hill/Beard
Übernahme von WEA Musik GmbH, Hamburg/BRD
Originalaufnahme Warner Bros. Records Inc. (p) 1985

VEB DEUTSCHE SCHALLPLATTEN BERLIN DDR
Made in German Democratic Republic

16.01.2022 – veröffentlicht
Schnellauswahl
Born on this day
19. März 2024
1813 Dr. Livingstone
1848 Wyatt Earp
1871 Sergei Diaghilev
1928 Patrick McGoohan
1930 Ornette Coleman
1933 Philip Roth
1935 Ursula Andress
1947 Glenn Close
1955 Bruce Willis
Abrufstatistik
  • 1391Seitenabrufe letzte Woche:
  • 149016Besucher insgesamt:
  • 371019Seitenabrufe:
  • 6. Mai 2017seit dem: