oder: Was Du schon immer über AMIGA-Lizenz-Schallplatten wissen wolltest.

Bob Dylan (1967) – Phonoclub

AMIGA 840040
(1 Exemplar – eigene Sammlung – Re-Print)

Vorbemerkung

Vorab: Angeblich ist es die teuerste Amiga LP – in der Originalversion.

Von dieser LP gibt es aber inzwischen Re-Prints zum Preis von 20 – 40 Euro; der Sammlerwert des Originals liegt verständlicherweise viel höher und ist im dreistelligen Bereich angesiedelt. Die Katalogpreise variieren hier sehr stark – von knapp über 100 Euro bis 500 Euro. Der aktuelle Preiswunsch eines Anbieters bei eBay um die 850 Euro scheint aber seit Wochen nicht realisierbar. (Stand 24.03.2016)

Achtung: Die Nachpressung hat KEINE Matrizennummer!

Covertext

Job Dylan, der seltsame junge Mann mit dem Mädchengesicht unter dem hohen wirren Haarschopf, war noch nicht neunzehn Jahre alt (er wurde am 24. 5. 1941 geboren), als er, aus dem westlichen Minnesota kommend, nach vielen Streifzügen durch die USA in die Riesenstadt New York kam. Zunächst nur mit der Absicht, sein Vorbild, seinen Helden, den kranken großen Volkssänger Woody Guthrie zu besuchen. Doch dann blieb er in der Großstadt, um bald Hunderte Lieder zu dichten, zu komponieren und zu singen, Lieder, die ebenso umstritten wie tief beeindruckend sind. Mit und durch Bob Dylan gelangte die große amerikanische Volksmusik-„Welle“ zu   e i n e m   ihrer Höhepunkte. Zwar behaupten viele, Bob Dylan sänge miserabel, sein Gitarre- und auch sein Mundharmonikaspiel sei nichts besonderes. Aber – erst Hunderte, dann Tausende und später Millionen Menschen – vor allem die Jugend an den Schulen und Universitäten – stimmten bald darin überein: Was Bob Dylan sang, war ihnen aus dem Herzen gesprochen. Was sprach sie an? Zunächst wohl die Musik, in der Dylan den Blues der Neger so erfolgreich mit dem Nashville-Sound (d. i. die Hillbilly-Musik) zu verbinden verstanden hatte, der Rhythmus, der „Beat“. Aber auch die reiche, bildhafte und doch jugendgemäße Sprache seiner oft bissigen, sarkastischen Texte, in denen er genau das sagte, was die meisten jungen Menschen dachten, woran sie glaubten, was ihrer Überzeugung oder ihren Empfindungen entsprach: Dylan singt von der Schönheit und der Bitterkeit der Liebe. Er fordert in seinen Liedern auch für die farbigen Amerikaner, für die Menschen aller Rassen, einen Platz an der Sonne. Er protestiert gegen die auf Kriegführung ausgerichtete Politik der USA, denn er sieht keinen Grund, um dessentwillen man Krieg führen müsse, er lehnt sich auf gegen die „alten Männer“ (die amerikanischen Politiker), die Kriege geführt haben und neue planen, fordert sie auf, abzutreten.

In gewissen Kreisen erkannte man bald, daß Dylans Lieder, vor allem aber die Tatsache, daß sie die amerikanische Jugend in einer nicht erwünschten Richtung politisch zu beeinflussen begannen (seine Antikriegssongs wirkten geradezu als Fanal), zu einer nicht mehr zu unterschätzenden Gefahr wurden. Man erprobte die alte amerikanische Patentlösung für solche Probleme auch bei Bob Dylan: die Macht der Dollars.

Ist es ihnen nun gelungen, Bob Dylans Schwertstimme abzustumpfen? Manche sagten schon ja, als er begann, die elektrische Gitarre zu spielen. Andere antworteten: „Auf die Elektrizität kommt es nicht an. Volts und Ampères können einen Unschuldigen hinrichten aber auch eine Straße hell erleuchten. Es kommt nur darauf an, wann, wo und wozu geschaltet wird.“

Doch neuerdings klingen Bobby Dylans Lieder nicht mehr so scharf. Sie sind schwerer verständlich geworden, und oft schwingt in ihnen der Jammerton eines armen unverstandenen Jungen mit. Der Dollar rollt für ihn schneller als je. Noch weiß man nicht, wohin Dylans Weg führen wird. Erhoffen wir – auch für ihn – das Beste.

BLOWIN‘ IN THE WIND –
Dieses Lied, in der DDR durch Marlene Dietrichs Interpretation bekannt geworden, heißt nicht verneinend „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“, sondern vielmehr „Die Antwort bläst doch mit im Wind“ (d.i. sie liegt in der Luft). Zu den neun Fragen – darunter: „Über wie viele Meere muß die weiße Taube fliegen, bevor sie im Sand schlafen kann? … Wie viele Ohren muß ein Mensch haben, bevor er andere Menschen weinen hört? … Wievielmal kann ein Mensch seinen Kopf abwenden und vorgeben, daß er nichts sehen kann? … Wie viele Jahre müssen noch Kanonenkugeln fliegen, bevor sie für immer verbannt werden? … Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis man endlich erkennt, daß schon zu viele Menschen gestorben sind?“ – hat Dylan gesagt: „Die erste Antwort auf diese Fragen ist, sie überhaupt zu stellen … Viele Menschen müssen erst den Wind finden.“

GIRL FROM THE NORTH COUNTRY
„Das Mädchen vom Nordstrand“ ist eine sehnsuchtsvolle, aber nicht wehmütige Erinnerung an ein schönes Mädchen.

MASTERS OF WAR
„Die Meister des Krieges“ ist eine bittere Anklage gegen die Männer, die sich hinter ihren Schreibtischen verstecken und Waffen, Todesflugzeuge und Bomben bauen, betrügerisch behaupten, ein Weltkrieg wäre zu gewinnen, die die Abzugshähne für die jungen Männer spannen, um selbst ungerührt die Todeszahlen steigen zu sehen. „Ich hoffe“, schließt Dylan, „daß Sie sterben, daß Ihr Tod recht bald kommt … ich schaue dann zu, wenn Sie begraben werden, und ich warte auf dem Grab, bis ich weiß, daß Sie wirklich tot sind.“

DOWN THE HIGHWAY
Das Lied – in der alten Blues-Tradition mit der typischen Wiederholung der ersten Zeile jeder Strophe geschrieben – erzählt, daß sein „Baby“ ins Ausland gefahren ist und ihn allein zurückgelassen hat. Und ihm bleibt nichts anderes übrig, als allein „die Autobahn entlang“ zu laufen.

BOB DYLAN’S BLUES
Hier ist der Blues-Stil nicht ganz genau übernommen. Bob macht kleine, nicht ernst zu nehmende Bemerkungen über Sorgen, die Frauen, Rennautos und Bankräuber – und spielt dabei viel Mundharmonika.

A HARD RAIN’S A-GONNA FALL
„Ein schwerer Regen wird fallen“ – Ausgehend vom Text einer alten englischen Ballade („Lord Randall“) stellt und beantwortet Dylan Fragen in einer seltsamen, ja schmerzlich bildhaften Sprache, die auf die Gefahren und Übel in einer Gesellschaft deutet, die sich, als das Lied entstand, gerade in der sogenannten „Kuba-Krise“ vom Oktober 1962 befand. „Jede Zeile ist eigentlich der Anfang eines ganzen Liedes“, sagt Dylan, „aber als ich schrieb, glaubte ich nicht, daß ich so lange leben würde, um sie alle schreiben zu können; deshalb packte ich, soviel ich konnte, in dieses Lied.“ Einige Zeilen des (schwer übersetzbaren) Liedes lauten: „Ich hörte das Geräusch des Donners, der eine Warnung hinausdröhnte … Ich hörte das Rauschen einer Welle, die die Welt überschwemmen kann … Ich werde es sagen und werde sprechen und denken und atmen …“

DON’T THINK TWICE, IT‘S ALL RIGHT
Dylan singt das bittere Lied eines enttäuschten, sich verabschiedenden Liebhabers: „Es nutzt nichts, meinen Namen zu rufen. Ich kann dich nicht mehr hören … Ich gab ihr mein Herz, sie wollte meine Seele … Aber mach dir nichts draus, babe, es ist schon gut.“

BOB DYLAN’S DREAM
Bob Dylan erinnert sich im Traum an Abende und Nächte, die er in vergangenen Jahren mit alten Freunden verbrachte, als sie alle Ideale hatten und sich nichts aus Geld und Erfolgen machten – und er denkt daran, wie ihre Wege sie auseinanderführten. 10 000 seiner leichtverdienten Dollars gäbe er gern, wenn dafür das Leben noch einmal so sein könnte, wie es damals war.

OXFORD TOWN
In diesem Lied über Oxford – Stadt erinnert Bob Dylan an die Krawalle, die an der Mississippi-Universität veranstaltet wurden, als ein Student mit braunem Gesicht – James Meredith – dort sein Studium aufnehmen wollte. Zwei Menschen wurden dabei getötet, dieses Lied wurde geboren, und viele neue Kämpfer wurden für die Bürgerrechtsbewegung gewonnen.

TALKING WORLD WAR III BLUES [*Dieser Text weist einige Druckfehler auf]
Der Talking Blues ist eine typisch amerikanische Volksliedform: ein rezitativartiges Sprechen zur Gitarrenbegleitung, mit witzigen oder bissigen Zwischenbemerkungen. Im Talking Blues vom Dritten Weltkrieg träumt Bob Dylan, er sei einer der wenigen Oberlebenden sähe. Dylan schlägt dem Psychiater vor: „Wenn sieht ihn und rennt vor ihm davon, aus Angst, Dylan könne ein Kommunist sein. Ein Mädchen, dem er den Vorschlag macht, Adam und Eva mit ihm zu spielen, weist ihn ab … usw. Er geht zum Psychiater und dieser erzählt ihm, daß viele Leute jetzt solche Träume hätten und jeder in sich selbst den Vor-allem-Überlebenden sähe. Dylan schlägt dem Psychiater vor: „Wenn Sie mich in Ihrem Traum als Überlebenden hineinlassen, träume ich dasselbe von Ihnen.“ Obwohl sich das für dieses Thema vielleicht als etwas zu „spaßhaft“ anhört – Dylan, damit auf der amerikanischen Volkstradition fußend, ist es sehr ernst mit seinem Spott.

CORINNA, CORINNA
Dieser Blues (er stammt nicht von Dylan selbst) klagt über das Mädchen Corinna, das nicht mehr bei ihm ist.

HONEY, JUST ALLOW ME ONE MORE CHANCE
In diesem lustigen und auch etwas sarkastischen Liedchen bittet Dylan: „Liebste, gib mir nur noch eine Chance!“

I SHALL BE FREE
„Ich werde frei sein“ – Dylans neue fröhliche Strophen für dieses alte Lied kommentieren eine Vielzahl nicht miteinander verwandter Themen (was in amerikanischen Volksliedern häufig der Fall ist): Täuschungsmethoden der Frauen, Trunkenheit, die Falschheit der Politiker, seinen Vorschlag an den Präsidenten, wie das Land wachsen könne (Brigitte Bardot, Anita Ekberg, Sophia Loren importieren) – und dann plötzlich die Rassenfrage: „Ein Topf mit schwarzer Farbe fiel auf mich, da mußte ich beim Waschen hinten in der Badewanne sitzen.“ Doch Dylans Witz verneint die Kritik nicht.

BOB DYLANS Sprache ist voll von Slang-Ausdrücken, Bildern, sie ist volkstümlich, doch ungenau in der Grammatik und fehlerhaft in der Aussprache. Um festzustellen, daß Dylan ein talentierter Dichter ist, dazu braucht es ausgezeichnete englische Sprachkenntnisse. Sein Talent als Musiker ist leichter erkennbar.

Victor Grossman

Titelliste

A1 – BLOWIN‘ IN THE WIND (Dylan)

A2 – GIRL FROM THE NORTH COUNTRY (Dirion)

A3 – MASTERS OF WAR (Dylan)

A4 – DOWN THE HIGHWAY (Dylan)

A5 – BOB DYLAN’S BLUES (Dylan)

A6 – A HARD RAIN’S A-GONNA FALL (Dylan)

B1 – DON’T THINK TWICE, IT’S ALL RIGHT (Dylan)

B2 – BOB DYLAN’S DREAM (Dylan)

B3 – OXFORD TOWN (Dylan)

B4 – TALKING WORLD WAR III BLUES (Dylan)

B5 – CORINNA, CORINNA (musikalische Neufassung: Dylan)

B6 – HONEY, JUST ALLOW ME ONE MORE CHANCE (Dylan — Thomas)

B7 – I SHALL BE FREE (Dylan)

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