oder: Was Du schon immer über AMIGA-Lizenz-Schallplatten wissen wolltest.

The Blues Band – Itchy Feet (1983)

AMIGA 856006
(ein Exemplar – eigene Sammlung)

Covertext

Die englische BLUES BAND ist eine jener Gruppen, die nie auf Publizität oder erste Plätze in den Hitparaden Wert legten Ihre Musiker machten keine Schlagzeilen mit Skandalen oder extravaganten Shows, ihr Auftreten blieb bescheiden. „Just for fun“ – nur so aus Spaß – spielten sie zusammen. Und ebenso plötzlich, wie die Band auf der Bildfläche erschienen war, verschwand sie auch wieder. Im Gegensatz zu tausend anderen hinterließ sie jedoch Spuren, die bleiben werden.

Der Name PAUL JONES dürfte fleißigen Kinogängern kein Novum sein. In dem 1967 gedrehten englischen Spielfilm „Privilege“ (Regie Peter Watkins), der wenig später auch in unsere Kinos kam, spielte er den Steve Shorter, einen Popstar, der, als Persönlichkeit rücksichtslos vermarktet, schließlich am Showgeschäft kapitalistischer Prägung zerbricht. Paul Jones konnte dem bis heute entgehen, nicht zuletzt auf Grund seiner Fähigkeit, sich schnell in unterschiedlichste Genres und Medien einarbeiten zu können. Zur Arbeit kam stets eine gehörige Portion Spaß und Spielfreude hinzu, und wohl auch ein bißchen Mut und Risikobereitschaft.

Am 24. Februar 1942 geboren, gab es für ihn Ende der fünfziger Jahre nur eine Musik: Rhythm and Blues. Bereits als Student sang er in den Clubs von Oxford unter dem Namen Thunder Odin. Als Alexis Korner im März 1962 seinen Club in Ealing eröffnete, zählte Paul Jones bald zu den Stammgästen. Hinter einer großen Sonnenbrille versteckt, sang er dort als P. P. Pond im Duett mit dem späteren Rolling Stones-Gitarristen Brian Jones. Gelegentlich griff er auch zur Mundharmonika. Im Ealing Club hörte ihn der Jazzpianist Manfred Mann, der gerade Verstärkung für seine Mann-Hugg Blues Brothers suchte. Paul Jones schrieb für die zweite Single der Gruppe den Titel „Cock-a-Hoop“ und gastierte 1965 mit ihr in der ČSSR. Bis 1966 blieb er als Lead-Sänger bei Manfred Mann. Titel wie „5-4-3-2-1“, „Do Wah Diddy Diddy“, „Pretty Flamingo“ und „If You Gotta Go, Go Now“ machten Manfred Mann als Popmusiker bekannt, daß der Sänger jedoch Paul Jones hieß, wußten die wenigsten. Das mag ihn bewogen haben, eine Solo-Karriere zu versuchen. Nach zwei Erfolgstiteln – „High Time“ und „I‘ve Been A Bad Bad Boy“ – kam „Privilege“. Paul Jones war erst einmal als Schauspieler gefragt – ohne daß er schauspielern konnte. Er mußte hart arbeiten, um in diesem Metier bestehen zu können. Außer im Film spielte er zahlreiche Rollen auf der Bühne und im Fernsehen und wurde selbst in Shakespeare-Rollen akzeptiert. A. L. Webber und T. Rice holten sich Paul Jones für ihre Rock-Musicals „Jesus Christ Superstar“ und „Evita“. Als Alexis Korner zu seinem 50. Geburtstag die Musiker um sich versammelte, die bei ihm „zur Schule“ gegangen waren, gehörte Paul Jones dazu. Gelegentlich spielte er auch als Sessionmusiker Harmonika, meist für Musiker, die er aus seiner Rhythm & Blues-Zeit kannte.

Einer von ihnen war der Gitarrist TOM MCGUINNESS, geb. am 2.12.1941. Er hatte eine eigene Gruppe, The Roosters, in der der junge Eric Clapton sein Debüt als Gitarrist gab, und ging 1963 zu Manfred Mann, bis er Ende 1969 McGuinness Flint gründete. „When I’m Dead And Gone“ war der bekannteste Titel dieser Gruppe, deren Musik eine gelungene Synthese aus Ragtime, Blues, Jazz und Rock war. Gründungsmitglied und zweiter Namensgeber war der Schlagzeuger HUGHIE FLINT, geb. am 15.3.1942, ebenfalls ein Veteran des britischen Rhythm & Blues. Er spielte zuvor bei Alexis Korner, John Mayall, Georgie Fame, Alan Price, Chicken Shack und Savoy Brown. „C’est la vie“ hieß die letzte gemeinsame LP von McGuinness und Flint, der Titel verrät etwas von ihrer Lebensauffassung. Immer wieder fand sich eine Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren, oder einfach nur draufloszumusizieren.

Tom McGuinness arbeitete dann mit seinem Freund Lou Stonebridge im Duo, Hughie Flint ging zu Ronnie Lane’s Slim Chance, später spielte er in der Gruppe Chanter irische Folklore. An einem Februarabend des Jahres 1979 klingelte bei Tom McGuinness das Telefon: „Hast Du Lust, eine Band auf die Beine zu stellen und Blues zu spielen, nur so aus Spaß?“ Der Anrufer war Paul Jones. Tom überlegte nicht lange und rief seinerseits Hughie Flint an. Vierter im Bunde wurde DAVE KELLY. [Anm. Satzzeichenfehler] damals einer der besten englischen Bottleneck-Gitarristen. Er spielte und sang in der John Dummer Blues Band und begleitete zahlreiche afroamerikanische Bluesmusiker, u.a. Howlin‘ Wolf und John Lee Hooker, gab aber auch Solokonzerte auf der akustischen Gitarre. Dave Kelly, übrigens Bruder der Sängerin Jo-Ann Kelly, brachte den Bassisten GARY FLETCHER mit in die Blues Band, der in verschiedenen Gruppen Country & Western und Soul gespielt hatte, bis er mit Steve Gurl als Fletcher Gurl auftrat.

Was anfangs nur für vier Konzerte konzipiert war, dauerte dann fast vier Jahre. „Official Blues Band Bootleg Album“, die erste Langspielplatte enthielt das, was die Blues Band gerade spielte, d. h. vornehmlich Titel von Blues-Klassikern wie Elmore James, Son House oder T. Bone Walker. Dieses Material wurde jedoch nicht einfach kopiert, sondern aktualisiert, den spieltechnischen Potenzen und musikalischen Erfahrungen der Musiker angepaßt. Ein vielbeachteter Auftritt in der BRD und ein Preis als „internationale Entdeckung des Jahres“ machten die Band auch im Ausland schnell populär. Auf der zweiten LP („Ready“, 1980) sind als Gäste lan Stewart (p), Geraint Watkins (p), Rockin‘ Dopsie (acc) und Chester Zeno (washboard) zu hören. Die dritte (vorliegende) LP, „Itchy Feet“ aus dem Jahre 1981, enthält bereits zu zwei Dritteln Kompositionen der Bandmitglieder. Bob Hall half wie schon bei der ersten LP am Piano aus. Die vierte LP, „Brand Loyality“ aus dem Jahre 1982, verzeichnet bereits Rob Townsend als Schlagzeuger. Am 18. Dezember 1982 gab die Blues Band in London ihr letztes Konzert. Bei dieser Abschiedsparty wurde auch ihre fünfte und letzte LP mitgeschnitten „The Blues Band Live“.

Paul Jones arbeitet inzwischen wieder als Schauspieler. Dave Kelly versucht, mit eigener Gruppe die Musik der Blues Band stilistisch weiterzuentwickeln. Um die anderen Musiker ist es erst einmal still geworden. Aber vielleicht klingelt eines Abends wieder das Telefon. Und eine neue Band wird gebildet, nur so aus Spaß. Daß daraus beste Musik resultieren kann, belegt diese Platte.

Rainer Bratfisch (1983)

Titelliste

A1 – Talkin‘ Woman Blues – 2:41
(Lowell Fulson)

A2 – Who’s Right, Who’s Wrong? – 3:32
(Gary Fletcher / Paul Jones)

A3 – Rock’n‘ Roll Radio – 2:43
(Tom McGuinness)

A4 – Itchy Feet – 3:16
(The Blues Band)

A5 – Ultimatum Time – 3:28
(Gary Fletcher / Paul Jones)

A6 – So Lonely – 3:54
(Gary Fletcher / Steve Gurl)

B1 – Come On – 2:50
(Chuck Berry)

B2 – Turn Around – 3:46
(Gary Fletcher / Steve Gurl)

B3 – I Can’t Be Satisfied – 3:22
(McKinley Morganfield)

B4 – Got To Love You Baby – 3:31
(Willie Dixon)

B5 – Nothin‘ But The Blues – 4:06
(Dave Kelly)

B6 – Let Your Bucket Down – 4:24
(Paul Jones)

The Blues Band
Gary Fletcher (b)
Hughie Flint (dr, perc)
Paul Jones (m-harm, voc)
Dave Kelly (g, voc)
Tom McGuinness (g)

Übernahme von Ariola-Eurodisc GmbH., München/BRD

VEB DEUTSCHE SCHALLPLATTEN BERLIN DDR
Made in German Democratic Republic
Gestaltung: Gerd Fortagne / Jürgen Schumacher
Lithografie und Druck: VEB Gotha-Druck
Ag 511/01/83/A
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