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Solomon Burke – King Of Rhythm & Soul (1988)

AMIGA 856319
(1 Exemplar – eigene Sammlung)

Covertext

Als er, angetan mit goldener Krone und königsblauem Mantel, im Rahmen des Soul-Festivals 1987 auf die Bühne der Werner Seelenbinder-Halle schritt, fühlte nach wenigen Sekunden wohl jeder die Hoch-Spannung, die von diesem Mann ausging. Hier wurde nicht leeres Show-Gepränge vorgeführt, sondern eine lebendige Botschaft verkündet. Zu begreifen, ja für die zur Rampe Vordrängenden fast mit Händen zu greifen war, daß auch der Sänger äußerst unterhaltsamer und zündender Lieder in der schwarzen Gemeinschaft eine priesterliche Rolle spielt. Daß dieser heute 50jährige Zweieinhalbzentnerkoloß sich schon mit neun Jahren als Chorsolist in der seiner Familie gehörenden Kirche bewährte, als 12jähriger eine eigne Gospel-Radiosendung „Solomon’s Temple“ betreute und als „Wonder Preacher Boy“ auf Tournee ging, wurde sinnlich nachvollziehbar.

Solomon Burke, 1936 in Philadelphia als ältestes von sieben Kindern geboren, begann 1955 für das kleine New Yorker Label Apollo mit Schallplattenaufnahmen, mit religiösen und weltlichen Liedern im dröhnenden, gospelgetränkten Stil Roy Hamiltons, den auch Elvis Presley bewunderte. Schon in diesem Alter hatte Burke eine völlig ausgereifte und kontrollierte Stimme von großem Umfang und erstaunlicher Nuancierungsvielfalt. Nun befand sich aber gerade der Rock’n’Roll auf seinem landesweiten Siegeszug, nicht zuletzt beim jungen schwarzen Publikum, nicht zuletzt dank Chuck Berrys, Fats Dominos und Little Richards Songs. Und so war es für einen durchgreifenden Erfolg der vom Gospel herkommenden Sänger Ray Charles, James Brown und eben Burke noch ein wenig zu früh. Erst 1959, als der Rock’n’Roll eine Atempause einlegen mußte, wurde eine nennenswerte Öffentlichkeit der musikalischen Revolution gewahr, die sich in Liedern wie „Lonely Teardrops“ von Jackie Wilson, „What’d I Say“ von Ray Charles oder „Shout“ von den Isley Brothers anbahnte.

Bei dieser Revolution handelte es sich kurzgesagt um die Übertragung gottesdienstlicher Gesangsweisen – wie des ekstatischen Shout-Stils der Sänger-Priester oder des Wechselspiels (call and response) zwischen dem Solisten und der Gemeinde – auf die Gestaltung von Pop-Titeln. Und damit bekam auch Burke seine Chance, und zwar bei dem auf schwarze Musik orientierten „unabhängigen“ Label Atlantic, bei dem durch den Weggang von Ray Charles eine schmerzliche Lücke entstanden war. Nach einem milden Start trabte Burke 1961 mit „Just Out Of Reach“ auf einen vorderen Platz in den schwarzen Charts und tauchte auch in den weißen in den Top 40 auf. Daß hier ein Schwarzer einen weißen Country-Song sang, war so wenig seltsam, wie die umgekehrte Richtung bei Presley. Diesen Austausch von Repertoire und einigen damit verbundenen Intonationseigentümlichkeiten hatte es im Süden bei den unteren sozialen Schichten schon sehr, sehr lange gegeben, länger jedenfalls, als es den Anhängern des Entweder-Oder lieb ist. Darüber hinaus dachte Burke als Vertreter einer jungen Generation nicht daran, auf die mitreißenden Erfahrungen des Rock’n’Roll zu verzichten. Und so mischte er sich einen ganz persönlichen Stil zurecht, den er „Rock’n’Soul“ nannte.

Mit „Cry To Me“ und „If You Need Me“, einem Lied von Wilson Pickett, erzielte Burke noch größere Erfolge und lieferte damit in den nächsten zwei Jahren die wichtigsten Beiträge zur Formierung der Soul-Musik. Vor James Brown, Aretha Franklin oder Otis Redding. 1965 schaffte er Spitzenplätze mit „Got To Get You Off My Cloud“ und mit „Tonight’s The Night“. Wichtig war daran ebensosehr, daß Burke auch das weiße Publikum erreichte, wie, daß er es ohne künstlerische Kompromisse erreichte. Denn er fügte seine bald leidenschaftliche, bald melodisch betörende Predigerstimme einem authentischem Soul-Sound ein, manchmal im Tempo geradezu schmerzhaft gedehnt („If You Need Me“), von Chor-Aufschreien und Bläser-Einwürfen zerschnitten, mit hämmernden Klavier-Akkorden unterlegt oder auch mit koketter Ornamentik garniert, von der rebellischen Gegenlinie der Gitarre ständig herausgefordert.

Burkes Botschaft zielte (und zielt) aufs allgemeine Menschliche, Liebe war (und ist) ihr Schlüssel- und Zauberwort. Liebe ganz körperlich – aus zwei Ehen hat das geistliche Oberhaupt von 161 Baptisten-Gemeinden 21 Kinder -, aber doch wohl auch als Solidarität. „Dieses Mal werden wir gewinnen … und wenn es die ganze Nacht dauern sollte“, heißt es auf unsrer Platte in „Here We Go Again“. Die programmatischen Lieder kamen in den 60er Jahren, als der Kampfgeist, aber auch die Illusionen der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sich in ihrem Zenit befanden, von anderen Soul-Brüdern und -Schwestern, „Respect“ von Otis Redding und Aretha Franklin, „Say lt Loud – I’m Black And I’m Proud“ von James Brown, „A Change Is Gonna Come“ von Sam Cooke. Aber der von Natur aus eher der versöhnlichen Konzeption Martin Luther Kings zuneigende Burke nahm sie doch vorbehaltlos auf.

Deshalb wählte er ganz bewußt als Motto für sein Comeback, das 1984 mit der LP „Soul Alive“ begann und 1986 Europa erreichte, Cookes Vermächtnis, ja spitzte es im Text sogar politisch zu. Diese siebeneinhalb Minuten dauernde Soul-Ansprache von „A Change Is Gonna Come“ ist nicht nur jedesmal ein Höhepunkt in Burkes Auftritt, sondern auch das wohl stärkste Stück auf dieser Platte. Den Kontrapunkt dazu bildet der zweite Klassiker, den sie enthält, „When A Man Loves A Woman“, 1966 auf Atlantic ein Hit für Percy Sledge. Zwischen diesen beiden gedanklichen wie seelischen Polen sind die neuen Songs eingependelt. Von ihnen hofft Burke, daß sie sich am Feeling der alten Titel messen lassen können.

Doch nicht um die Duplizierung vergangener Klänge geht es ihm, und die neuen teils mehr rockigen („Got To Get Myself Some Money“, „Don’t Tell Me“, „Here We Go Again“), teils eher popballadesken („Love Buys Love“, „Let It Be You And Me“, „Love Is All That Matters“, „It Don’t Get No Better Than This“) lassen daran keinen Zweifel. Noch immer geht es ihm einzig um das, was er uns mitzuteilen hat mit einer Stimme, die zugleich weise geworden und jugendfrisch geblieben ist.

Wolfgang Tilgner (1988)

Titelliste

A1 – Love Buys Love – 5:05
(Paul Kelly)

A2 – Got To Get Myself Some Money – 4:56
(Solomon Burke)

A3 – Let It Be You And Me – 3:04
(Paul Kelly)

A4 – Love Is All That Matters – 3:17
(Dan Penn & Spooner Oldham)

A5 – Don’t Tell Me What A Man Won’t Do For A Woman – 4:06
(Jimmy Lewis)

B1 – A Change Is Gonna Come – 7:33
(Sam Cooke)

B2 – Here We Go Again – 6:46
(Solomon Burke)

B3 – lt Don’t Get No Better Than This – 4:03
(Dan Penn & Spooner Oldham)

B4 – When A Man Loves A Woman – 3:23
(Calvin Lewis & Andrew Wright)

Solomon Burke (vocals)
Renard Poché (guitars)
Craig Wroten (keyboards)
David Barard (bass)
Herman Ernest III (drums and percussion)
Bill ,Foots‘ Samuel (saxes)
Terry Tullos (trumpet)
Ernie Gautreau (trombone)

rec. August bis Oktober 1985

Übernahme von Zensor Musikproduktion GmbH/Rounder Records,
Boston Massachusetts, U.S.A.

VEB DEUTSCHE SCHALLPLATTEN BERLIN DDR
Made in the German Democratic Republic

Fotos: Bernd Lammel/Manfred Krause
Gestaltung. Bernd Sebald
Lithografie und Druck: VEB VMW „Ernst Thälmann“,
Werk Gotha-Druck
Ag 511/01/88 A Verpackung nach TGL 10609

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