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Deep Purple (1976)

AMIGA 855562 (rotes Label)
(Danke an Thomas W. und „Ossi“ für die Leihgabe zwecks Veröffentlichung)

Covertext

Es war im Februar 1968 als sich in einem Bauernhaus der englischen Grafschaft Hertfordshire Jon Lord (Orgel, Piano), Richie Blackmore (Gitarre), Rod Evans (Gesang), Nick Simper (Baßgitarre) und Ian Paice (Schlagzeug) zur Gruppe Deep Purple „zusammenrauften“. Vom ersten Tage an gab es Spannungen und Konflikte zwischen Lord und Blackmore, die Stoff für zahlreiche Stories lieferten. Vieles daran mag wahr sein – anderes wurde gezielt aufgebauscht, um das Interesse des Publikums wachzuhalten. Fakt ist, daß sich aus den Bestrebungen Lords, die Musik der Gruppe durch klassische Klangstrukturen zu prägen und aus Blackmores ungestümer Rock-Konzeption künstlerische Spannungsfelder ergaben, die letztlich dazu führten, daß man sich zum Wohle der gesamten Gruppe zu Höchstleistungen anstachelte.

1968 legte die Gruppe ihre erste Single vor. In England blieb sie unbeachtet, in den USA wurde „Hush“ ein Erfolg. Amerika-Gastspiele vergrößerten den Widerspruch zwischen „heimischer Bedeutungslosigkeit“ und Erfolgen im Ausland. Auch den ersten drei LP „Shades Of Deep Purple“ (1968), „The Book Of Taliesyn“ (1969) und „Deep Purple“ (1969) war ein ähnliches Schicksal beschieden. Sie erschienen in England mit großer Verspätung und fanden erst nach 1970 die ihnen gebührende Wertschätzung.

Über die Gründe dieser verzögerten Anerkennung ist viel spekuliert worden. Der Wahrheit am nächsten dürften die Versionen kommen, daß die Beatles in der Publikumsgunst nach wie vor ungeschlagen waren und es zum anderen viele echte Konkurrenten gab, von denen sich Deep Purple nicht hinreichend genug abhob.

Es war letztlich das hartnäckige Bemühen von Jon Lord um hörenswerte Kombinationen von Rock- und seriösen Musikelementen, das am 24. September 1969 zu dem gemeinsamen Konzert mit dem „Royal Philharmonic Orchestra“ unter Malcolm Arnold in der Londoner Royal Festival Hall führte. Zur Aufführung kam Lords „Concerto For Group And Orchestra“. Ein Jahr später wurde seine „Gemini Suite“ produziert. – Nach dem 1969er Konzert schrieb der „Daily Express“: „Deep Purple nahm die Albert Hall im Sturm“ und die „Herald Tribune“ sprach von „einer erstaunlich geglückten Verbindung von Rock- und seriösen Musikelementen“. Die Voraussage der „Western Daily Press“ vom Oktober 1969: „Deep Purple wird nunmehr Europa erobern“, sollte sich zunehmend bewahrheiten. Ein Jahr später faßte das die Zeitschrift „Disc“ in die Worte: „Großbritannien hat nunmehr eine Deep Purple-Manie erfaßt.“

Der Zeitströmung folgend, rückten in den Mittelpunkt des Interesses der großen Zuhörerschaft zunehmend die auf LP bereits vorliegenden bzw. neu produzierten, rhythmisch akzentuierten rockigen Nummern. Sie waren und sind Richie Blackmores Domäne; obgleich es falsch wäre, wollte man damit den Ehrgeiz der anderen und ihren ideenreichen Anteil am Gesamterfolg schmälern. Ian Paice äußerte im Juli 1972 der Zeitschrift „Disc“ gegenüber: „Wenn ich jemand sehe, der besser ist als ich, so werde ich sagen: Dich werde ich übertrumpfen“. Jon Lord im „Melodie Maker“, Oktober 1971: „Ich meine, der Sound von Deep Purple hat eine Menge mit meiner Orgel zu tun“. Roger Glover in der „Yorkshire Post“, Februar 1971: „Wenn auf der Bühne einmal zuviel los ist, so ist es meine Aufgabe, ruhig zu bleiben und eine stete Baß-Linie zu sichern.“

Langspielplatten der Jahre 1970-74, aus denen für die vorliegende LP eine Zusammenstellung erfolgte, unterstreichen das Konzept einer variablen und dennoch von einem unverkennbar eigenen Sound geprägten rockigen Musik.

Das Ausscheiden von Rod Evans und Nick Simper – sie wurden 1970 von Ian Gillan (Gesang) und Roger Glover (Baßgitarre) ersetzt – deutete Veränderungen im Stil an. Als schließlich 1973 Gillan und Glover gegen David Coverdale (Gesang) und Glenn Hughes (Baßgitarre) ausgetauscht wurden, war Blackmores einstiger „Dampframmen-Stil“ endgültig in Leerlauf geraten. Die ausgewählten drei Titel der 74er LP „Stormbringer“ demonstrieren den Diskoorientierten Rock der neuen Besetzung Blackmore, Coverdale, Hughes, Lord, Paice. Alle anderen Aufnahmen gehören damit schon der Geschichte der Rockmusik an, an der Deep Purple einige inhaltsreiche Seiten mitgeschrieben hat.

Wie selbst die vorliegende Auswahl anzudeuten vermag, sind viele Deep Purple-Aufnahmen von dem Bemühen gekennzeichnet, realitätsbezogene Situationen, Gedanken und Gefühle zu gestalten. Allein dadurch heben sie sich von den Massenproduktionen der kapitalistischen Musikindustrie ab, in denen verlogene Idylle und Scheinwelten, welche die werktätigen Menschen vom krisenbelasteten Alltag ablenken sollen, dominieren: „Lady Double Dealer“ wendet sich im Endeffekt gegen jede Form doppelter Moral; „Smoke On The Water“ berichtet von einem vernichtenden Brand, den „irgendein blöder Kerl“ ausgelöst hatte; „Stormbringer“ ist symbolisch zu verstehen: Sturm, Blitz und Donner, die „reinigend“ auf Mensch und Natur wirken können; „Speed King“, eine indirekte Aufforderung, das Leben zu leben – ob dazu allerdings auch Parties gehören, um die Seele zu retten, sei dahingestellt.

„Rat Bat Blue“ schildert eine Liebe, die halt keine ist; „Woman From Tokio“ gestaltet den anregenden Einfluß, den eine hübsche Exotin auf einen jungen Mann auszuüben vermag; „Anyone’s Daughter“ liegen Probleme zugrunde, mit denen junge Menschen im Kapitalismus nach wie vor konfrontiert werden, wenn sie glauben, „unstandesgemäß“ heiraten zu können. Die Ironie der Schlußzeilen: Was sagt ihr dazu, nun habe ich doch eine reiche Tochter bekommen, ist unüberhörbar; „Hold On“ beinhaltet die offenherzigen Gefühle eines jungen Mannes zum Thema Liebe.

Es sind also letztenendes die Qualitäten ausgewählter Titel, des Musizierstils und des variablen Sounds, die erklären, warum die Deep Purple-Musiker zu den erfolgreichsten und „dienstältesten“ Englands gehören, die es sich bis zum heutigen Tage nicht nehmen ließen, öffentlich aufzutreten. Im Zeitalter elektronisch gemixter Studio-Sounds spricht auch das für sie.

H. P. Hofmann (1977)

Titelliste

A1 – 1) „Lady Double Dealer“ – 3:19
(Blackmore/Coverdale)
aus der LP „Stormbringer“ (1974)

A2 – 2) „Smoke On The Water“ – 7:25
(Blackmore/Gillan/Glover/Lord/Paice)
aus der LP „Deep Purple – Made In Japan“ (1972)

A3 – 3) „Stormbringer“ – 4:03
(Blackmore/Coverdale)
aus der LP „Stormbringer“ (1974)

A4 – 4) „Speed King“ – 5:48
(Blackmore/Gillan/Glover/Lord/Paice)
aus der LP „Deep Purple In Rock“ (1970)

B1 – 5) „Rat Bat Blue“ – 5:25
(Blackmore/Gillan/Glover/Lord/Paice)
aus der LP „Who Do We Think We Are“ (1973)

B2 – 6) „Woman From Tokyo“ – 5:50
(Blackmore/Gillan/Glover/Lord/Paice)
aus der LP „Who Do We Think We Are“ (1973)

B3 – 7) „Anyone’s Daughter“ – 4:39
(Blackmore/Gillan/Glover/Lord/Paice)
aus der LP „Fireball“ (1971)

B4 – 8) „Hold On“ – 5:05
(Coverdale/Hughes/Lord/Paice)
aus der LP „Stormbringer“ (1974)

Die Titel 1, 3 und 8 werden in der
Besetzung Blackmore/Coverdale/
Hughes/Lord/Paice interpretiert;
alle anderen von Blackmore/Gillan/
Glover/Lord/Paice.

Übernahme von EMI Ltd./London

Foto: Hansjoachim Mirschel
Gestaltung: Monika Prust
Lithografie und Druck: VEB Gotha-Druck

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