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Phil Collins (1984)

AMIGA 856078
(1 Exemplar – eigene Sammlung)

Covertext

Ende 1982, Anfang 1983 tauchte urplötzlich einer der großen Songs der Motown-Gruppe „The Supremes“ aus der Mitte der 60er Jahre aus der Versenkung auf und eroberte sich Top-Plätze in internationalen Hitparaden. „You Can’t Hurry Love“ – so hieß der Titel, den daraufhin auch Diana Ross, das so erfolgreiche ehemalige Mitglied der “Supremes“ wieder in ihr Konzertprogramm aufnahm. Wer war es, der es wagte, diesen „Klassiker“ nach rund 15 Jahren neu aufpoliert wieder anzubieten? Nun, kein anderer als Phil Collins. Nicht wenige Fans waren überrascht über die Hinwendung des Frontmanns der britischen Rockgruppe „Genesis“ (gegr. 1967) zur „black music“. Doch hatte sich ähnliches schon 1981 mit der Veröffentlichung Collins‘ erster Solo-LP „Face Value“ angekündigt, die dem heute 34jährigen Londoner Musiker mit Titeln wie „In The Air Tonight“ einen erfolgversprechenden Start zu einer Solokarriere brachte.

Lange Zeit hatte man bei dem Namen Phil Collins nur an den Schlagzeuger von „Genesis“ gedacht, dieser mit einer Mischung extravagant produzierter, origineller und nur schwer einzuordnender Musik so erfolgreichen Band. Collins spielt seit 1970 bei „Genesis“, von der nach dem Ausscheiden des Leadsängers Peter Gabriel 1975 kaum jemand ein Anknüpfen an frühere Erfolge erwartete. Aber man sah sich getäuscht: Phil Collins kletterte hinter seiner „Schießbude“ hervor und eroberte sich den Mittelpunkt der Bühne. Er war kein Ersatz, es schien, als hätte der eigentlich vom Jazz kommende und auch durch Studio-Jobs mit der Jazz-Rockgruppe „Brand X“ bekannte Collins nie etwas anderes getan, als Chef einer riesigen Bühnenshow zu sein. Ganz selbstverständlich präsentierte er sich als wandlungsreicher und virtuoser Musiker. Tony Banks, „Genesis“-Keyboarder, sagte einmal, die Gruppe sei schon immer der Meinung gewesen, daß Phil „viel mehr als nur Schlagzeug spielen kann. Man muß ihn nur lassen … Er ist zweifellos der beste Musiker in unserer Band.“ Mit Phil Collins als Steuermann wurde die Musik von „Genesis“ einfacher, auf pompöse Überhöhungen wurde zunehmend verzichtet.

Diese Entwicklung setzte Collins auf den beiden bis jetzt von ihm erschienenen Solo-Alben konsequent fort. Gut bekommen ist Collins‘ Musik die Übernahme von Elementen des amerikanischen Pop und Anleihen bei der modernen Soul-Musik. Letzteres läßt sich besonders gut bei so funkbetonten Titeln wie „I Missed Again“, „Thunder And Lightning“, „lt Don’t Matter To Me“ und I Cannot „Believe Its True“ heraushören, was nicht zuletzt das Verdienst der von Collins angeheuerten Bläsergruppe „The Phenix Horns“ ist. „Als Drummer geht es mir darum, die Bläser perkussiv einzusetzen“, sagte Collins einmal.

In den „Phenix Horns“ fand er genau das, was er dazu brauchte. Und mit seiner Neufassung von „You Can’t Hurry Love“ bedankt sich Collins ausdrücklich bei den Vätern der Motown-Musik für die ihm gegebenen Anregungen. Die hier vorliegende Zusammenstellung – je fünf Titel von „Face Value“ (1, 3, 5, 7, 8) und „Hello I Must Be Going“ (2, 4, 6, 9, 10) – zeigt aber auch, daß der inzwischen zum Universalmusiker avancierte Collins – hier auch am Piano, als Keyboarder, an diversen Pedals und sogar als Trompeter zu hören – die schon früher vorhandene Tendenz zu geradlinigeren rockigen Stücken weiterentwickelt hat. Titel wie „In The Air Tonight“ und „I Don’t Care Anymore“ zeigen, daß sich Phil Collins wie kaum ein zweiter auf die kompositorische Metamorphose vom kleinsten gemeinsamen Nenner zum optimalen Wirkungsgrad versteht. Zu diesem kalkulierten Minimalismus kommt sein sonorer und unverwechselbarer Gesang, der jede Klangkonzentration mühelos durchdringt. Und Collins stellt auch unter Beweis, daß sich seine Stimme, die nach Meinung der Kritiker über die Jahre hinweg immer besser und ausdrucksstärker wurde, durchaus für solche einfühlsamen Pop-Balladen wie „If Leaving Me Is Easy“ eignet.

Auf seinen beiden von ihm selbst produzierten Solo-Alben greift Collins zu 90 Prozent auf eigenes Material zurück, zeigt aber auch wie durch Neuarrangieren von „Genesis“-Produktionen tanzbarer Rock entstehen kann. In seinen Liedern schreibt er in erster Linie über die Liebe – spiegeln sich Hoffnung, Freude, Mißtrauen und Bitterkeit wider. „Meine Texte kommen aus dem Herzen. Aber mit Botschaften habe ich nichts im Sinn. Für mich ist entscheidendend [Druckfehler], Gefühle auszudrücken und die Leute auf diesem Weg zu erreichen.“

Mittlerweile hat Phil Collins‘ Erfolg auch andere Spitzenmusiker angeregt, mit ihm zusammenzuarbeiten. Dazu zählen Brian Eno, Robert Plant, Gary Brooker sowie ABBA-Sängerin Frida, die von ihm eine LP produzieren ließ. Doch auch mit seiner Gruppe „Genesis“ sorgt der frühere Nur-Drummer weiterhin für guten Hörstoff. Unlängst erschien unter dem schlichten Namen „Genesis“ ein Album der Gruppe, auf dem die solistischen Erfahrungen ihrer Mitglieder (auch Tony Banks und Michael Rutherford versuchten sich inzwischen an individuellen Projekten) unschwer herauszuhören sind.

Phil Collins ist gelungen, was nur wenigen Rock-Musikern gelingt, nämlich als Mitglied einer berühmten Band und gleichzeitig auch als Solist erfolgreich zu sein.

Michael Wojtek (1984)

Titelliste

A1 – In The Air Tonight – 5:30

A2 – You Can’t Hurry Love – 2:50

A3 – If Leaving Me is Easy – 4:53

A4 – I Don’t Care Anymore – 5:00

A5 – Thunder And Lightning – 4:12

B1 – lt Don’t Matter To Me – 4:12

B2 – This Must Be Love – 3:47

B3 – I Missed Again – 3:40

B4 – I Cannot Believe Its True – 5:14

B5 – Thru These Walls – 5:02

Kompositionen, Texte und Arrangements: Phil Collins
Titel 2 Komposition und Text: Holland / Dozier

Übernahme von WEA Musik GmbH, Hamburg/BRD

VEB DEUTSCHE SCHALLPLATTEN BERLIN DDR
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Foto: WEA
Gestaltung: Olaf Nehmzow
Lithografie und Druck: VEB VMW „Ernst Thälmann“,
Werk Gotha-Druck
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