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Louis Armstrong – Attention! (1976)

AMIGA 855484
(ein Exemplar – eigene Sammlung)

Covertext

Daniel Louis „Satchmo“ Armstrong 4. 7. 1900, New Orleans – 6. 7.1971, New York

„Attention!“ – „Achtung!“ – könnte im Grunde genommen über jeder Aufnahme stehen, die der im Hinblick auf den Jazz weiterlebende „King of Jazz“ während seiner langjährigen Musikerlaufbahn eingespielt hat. Sein künstlerisches Hauptverdienst ist es gewesen, in den zwanziger Jahren der für dieses Genre so typisch gewordenen Soloimprovisation und der mit ihr verbundenen individuellen Intonation Maßstäbe gesetzt zu haben. Dem hier ursprünglich jedoch aus einem anderen Grunde gewählten „Attention!“ haftet eine spezifische Bedeutung an – eine künstlerische wie tragische – indem es auf jene Langspielplattenproduktion verweist, die dem Schaffen von Louis Armstrong einen ungewöhnlichen Höhepunkt und gleichzeitig den Schlußakkord setzen sollte.

Grundidee dieser Platte war es, mit ihr einen musikalisch recht speziellen Beitrag anläßlich Louis Armstrong‘s 70. Geburtstag zu leisten, mit ihm im Mittelpunkt. Dementsprechend sorgfältig erfolgten die umfangreichen Vorbereitungen, in enger Zusammenarbeit mit Armstrong, der vor allem die Auswahl der Stücke wesentlich mitbestimmte. Die Einbeziehung von „We Shall Overcome“ war sein ganz besonderer Wunsch, aber auch die aktuelle Profilierung der Produktion im allgemeinen, was durch jene Lieder zum Ausdruck kommt, in denen sich die Sehnsucht des Menschen nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit artikuliert. Jenes progressive Engagement äußert sich auf verschiedene Weise: direkt in dem zur Hymne des ANDEREN Amerika gewordenen „We Shall Overcome“ und in dem weltbekannten Beatles-Song „Give Peace A Chance“; symbolhaft (im Sinne der Warnung vor Zerstörung) im die wundervollen Naturschönheiten des Erdballs beschreibenden „What A Wonderful World“; ironisch in den aus der „Black Power“-Bewegung hervorgegangenen Stücken „The Creator Has A Master Plan“ und „His Father Wore Long Hair“, wobei die seit Jahrtausenden permanent zitierten Bibelworte „Friede auf Erden und ALLEN Menschen ein Wohlgefallen“ als Kontrast zur Wirklichkeit kritisch-mahnend in den Raum gestellt werden. Die ironische Grundhaltung besitzt im „meisterlichen (Friedens)-Plan des Schöpfers“ köstliche Plastizität, erfreulicherweise unter zusätzlicher Mitwirkung des Textautors Leon Thomas, der nicht nur als der bemerkenswerteste moderne Jazzsänger der Gegenwart gilt (er verleiht seit Ende der 60er Jahre mit seinem afrikanisch/indianisch inspiriertem Jodel-Scat dem Vokaljazz eine verblüffend neue Variante), sondern auch als aktiver Kämpfer in der „Black Power“-Bewegung sowie durch sein mutiges Auftreten als Gegner des amerikanischen Vietnam-Krieges bekanntgeworden ist. Von den übrigen Titeln erscheinen Duke Ellington‘s berühmtes „Mood Indigo“ und „Boy From New Orleans“, mit dem Louis Armstrong (unter geschickter Nutzung der Melodie von „When The Saints Go Marching In“) seine eigene Geschichte erzählt, der besonderen Hervorhebung wert.

Die Realisierung des gesamten Projektes schien durch Louis Armstrong‘s schwere, überraschende Erkrankung plötzlich völlig in Frage gestellt. Nur durch eine zeitweilige Krankheitsbesserung wurde sie letztlich doch noch möglich, allerdings unter der schmerzlichen Einschränkung, daß Armstrong auf sein geliebtes „Horn“ verzichten und sich ausschließlich auf seine Stimme beschränken mußte.

Die künstlerische Gesamtleitung lag bei Oliver Nelson, einem namhaften und künstlerisch bedeutenden Arrangeur seit Beginn der 60er Jahre (er verstarb ganz unerwartet am 27.10.1975 dreiundvierzigjährig). Seine sowohl die Big-Band-Tradition als auch den Geist der Gegenwart atmenden, in ihrer Struktur beeindruckenden Arrangements – interpretiert von einem Studio-Ensemble exquisiter Musiker – trugen wesentlich zum Gelingen des ungewöhnlichen Vorhabens bei. Die Aufnahmen selbst entstanden inmitten der heiteren Atmosphäre einer um sechs Wochen vorverlegten Geburtstagsparty zu Ehren des siebzigjährigen Jubilars, der mit dem ihm eigenen von herzlicher Wärme erfülltem Humor im Reigen der ebenso zahlreichen wie illustren Gäste, trotz unverkennbarer Krankheitszeichen, den Ton angab. Die Armstrong aus allen Lagern des Jazz gleichermaßen gezollte Verehrung wurde auch hierbei erneut offensichtlich: unter den anwesenden Musikern befanden sich Bobby Hackett, Ruby Braff, Miles Davis, Eddie Condon, Chico Hamilton, Mike Lipskin, Ornette Coleman sowie die Sänger Tony Bennett und Leon Thomas. Als Höhepunkt des letzten großen Beisammenseins mit Freunden, das Louis Armstrong erleben sollte, gestaltete sich die Aufnahme von „We Shall Overcome“, wo nach wenigen Minuten die Gäste und Freunde spontan mit einstimmten und auf diese Weise dem Lied eine faszinierend kommunikative Aussagekraft verliehen. Jene Aussage bestimmt unüberhörbar Profil und Anliegen dieser Schallplatte, die sowohl in ihrer formal-künstlerischen Gestaltung als auch hinsichtlich ihres Gehaltes zu den beeindruckendsten Tondokumenten von Louis Armstrong gehört. Er setzte damit seiner fast sechzigjährigen Künstlerlaufbahn, die den „Boy From New Orleans“ zu Weltruf als „King of Jazz“ geführt hatte, ein würdiges, ja geradezu testamentarisches Finale.

Karlheinz Drechsel (1976)

Titelliste

A1 – We Shall Overcome – 6:42
Komposition und Text: Horton / Hamilton / Carawan / Seeger

A2 – Everybody’s Talkin‘ (Echoes) – 3:00
Komposition und Text. Neil

A3 – What A Wonderful World – 3:19
Komposition und Text: Weiss/Douglas

A4 – Boy From New Orleans (When The Saints…) – 3:55
Komposition und Text: Roberts / Katz / Thiele

A5 – The Creator Has A Master Plan (Peace) – 4:15
Komposition und Text: Sanders / Thomas zusätzlich Leon Thomas (voc)

B1 – Give Peace A Chance – 4:35
Komposition und Text: Lennon / McCartney

B2 – Mood Indigo – 3:19
Komposition und Text: Ellington / Mills / Bigard

B3 – His Father Wore Long Hair – 2:31
Komposition und Text: Weiss / Thile / Rivelli

B4 – My One And Only Love – 3:17
Komposition und Text: Mellin / Woods

B5 – This Black Cat Has 9 Lives – 2:39
Komposition und Text: Pack

Arrangements: Oliver Nelson
Studio-Orchester
Leitung: Oliver Nelson

 

Titel 3; 7; 9:

String Section: Arnold Black, Selwart Richard Clarke, Winston Collymore, Paul Gershman, Manny Green, Harry Lookofsky, Gene Orloff, Joe Malin, Max Pollikoff, Julien Barber, Alfred Brown, David Schwartz, Emanuel Vardi, Charles McCracken, Kermit Moore, George Ricci, Allan Schulman, Richard Davis, George Duvivier, James Spaulding (fl), Frank Owens (p), Sam Brown, Kenny Burrell (g), John Williams Jr. (el-b), Pretty Purdie (d)

rec. 26. 5. 1970; New York

 

Titel 2; 5; 8:

Besetzung siehe oben; Matthew Raimondi ersetzt Gene Orloff; Gene Golden (cga)

rec. 27. 5. 1970; New York

 

Titel 1; 4; 6; 10:

Thad Jones, Jimmy Owens, Ernie Royal, Marvin Stamm (tp, fl-h), Garnett Brown, Bill Campbell, Al Grey, Quentin Jackson (tb), Robert Ashton, Ray Beckenstein, Daniel Bank, Jerry Dodgion, Bill Harper (sax), Frank Owens (p), Sam Brown, Kenny Burrell (g), Chuck Rainey (el-b), Pretty Purdie (d), Gene Golden (cga)

Carl Hall, Janice Bell, Ila Govan, Matthew Ledbetter, Tasha Thomas (chorus)

rec. 29. 5. 1970; New York

Übernahme von Phonogram Hamburg

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Gestaltung: Christoph Ehbets
Druck: VEB Gotha-Druck

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